Tief gegründet - zum fünften Sonntag nach Trinitatis

Tief gegründet - zum fünften Sonntag nach Trinitatis

Liebe Schwestern und Brüder,

haben Sie sich schon für die Strand-Ampel registriert?
Wie – davon haben Sie noch nie gehört? Nun, falls Sie einen Besuch an einer deutschen Küste planen, sollten Sie sich aber auf jeden Fall bald damit beschäftigen.
Denn wer in der Lübecker Bucht sein Handtuch an der Ostsee ausbreiten oder sich gar in St. Peter Ording die Nordseeluft im Strandkorb um die Nase wehen lassen möchte, der braucht zurzeit die Strand-Ampel auf seinem Mobiltelefon, um prüfen zu können, ob überhaupt noch ein Plätzchen frei ist, weil die noch rarer geworden sind seit Corona und den Abstandsregeln.
Timmendorfer Strand geht da übrigens einen anderen Weg und setzt auf einfache Technik. Dort wurde schlicht die Zahl der Parkplätze beschränkt, damit sich nicht zu viele gleichzeitig an den erholsamen Gestaden tummeln.
Voll drohen die Strände trotz Corona aber nicht nur in Deutschland zu werden. Aus den englischen Seebädern etwa wird Gleiches berichtet. Und spezielle Vorkehrungen gelten in den meisten europäischen Badeorten. Nur ein Sonnenschirm pro 12 Quadratmeter ist in den italienischen Bagnos erlaubt, auf Mallorca gilt ab dieser Woche Maskenpflicht auch im Freien – allerdings außer am Strand.
Die sandigen Uferstreifen scheinen weltweit auf zahlreiche Menschen so ungeheuer anziehend zu wirken, dass sie selbst in diesem besonderen Jahr und bei allen damit verbundenen Maßnahmen und Sorgenfalten nicht darauf verzichten möchten.
Von einem vollen Strand berichtet auch der Predigttext für den fünften Sonntag nach Trinitatis. Die Geschichte spielt allerdings nicht am Meer, sondern an einem großen Binnengewässer. Dem See Genezareth.
Der Anlass für die Menschenansammlung ist dabei durchaus bemerkenswert. Was die Menge zusammenkommen ließ, war ein Strandgottesdienst.
Gut, da war auch ein wahrhaft einmaliger Prediger zu hören. Nämlich Jesus. Was sich dabei und danach zugetragen hat, überliefert Lukas im 5. Kapitel seines Evangeliums (Lukas 5, 1-11).
Dicht gedrängt, so berichtet Lukas, – von Corona-Abstand war noch lange keine Rede – steht die Menge am Ufer des Sees, um Jesus zu hören.
Damit ihn die Interessierten besser sehen und verstehen können, improvisiert Jesus eine Kanzel. Er bittet Simon, besser bekannt unter seinem späteren Namen Petrus, den Inhaber eines örtlichen Fischereibetriebs, ihn mit einem der Boote der kleinen Fangflotte ein paar Meter vom Ufer weg zu fahren.
Von der etwas erhöhten Position an der Bordwand aus predigt Jesus. Simon sitzt im Boot und hört, wie Jesus Gottes Wort weitersagt.
Wovon genau er dabei spricht, verrät uns Lukas leider nicht. Bei Simon allerdings muss das Gehörte vom Ohr aus tiefer gedrungen sein. Das zeigt jedenfalls sein weiteres Verhalten.
Als Jesus seine Predigt beendet hat, weist er Simon an, mit ihm hinaus auf den See, auf Fangfahrt zu gehen. Und zwar dahin, wo es tief ist. Denn bei Jesus geht es niemals ums Oberflächliche.
Es geht ihm darum, worin unsere ganze Existenz gründet. Und da reicht Jesus tiefer als alles, was sonst für so erstrebenswert und notwendig für ein erfülltes Leben gehalten wird, tiefer als schnelle Autos, prächtige Häuser, ausufernde Partys oder wiedereröffnete Pubs.
Viel tiefer. Um Simon diese Tiefe ahnen zu lassen, fordert Jesus ihn auf, die Netze auszuwerfen.
Was den geneigten Laien die Stirn runzeln lässt und dem Berufsfischer Simon völlig absurd erscheinen muss. Denn Fische fängt man nicht um diese Uhrzeit, sondern nachts.
Dabei waren sogar in der vergangenen Nacht die Netze leer und die Herzen schwer geblieben. Die ganze Arbeit umsonst.
Was soll das jetzt also noch bringen? Diese Frage stellt sich übrigens nicht nur Simon. Die stellen sich andere auch.
Die ganze Nacht gelernt und trotzdem durchgefallen. Jahr um Jahr mit vollem Einsatz geackert für die Firma, krank dabei geworden, rausgedrängt. Tag für Tag sich aufgeopfert für die Familie, am Ende verlassen vom Partner, auch die Kinder melden sich selten. Was hat’s gebracht? Was kann jetzt noch etwas bringen?
Simon kommt hinweg über die Frage zur inneren Bilanz. Nur einen kurzen Hinweis an Jesus kann er sich nicht verkneifen. Schon die Einleitung dabei lässt aufhorchen.
„Epistata“, damit fängt er an. Übersetzt: „Meister“. So redet ein Jünger den an, dem er folgt. Simon ist aber gar kein Jünger Jesu. Das kommt erst noch. Bald.
Was ihn zu der Anrede bringt, ist wohl zweierlei. Zum einen hatte er kurz zuvor miterlebt, wie Jesus Simons Schwiegermutter von einem lebensbedrohlichen Fieber geheilt hat. Durch ein Wort, dass das Fieber vertrieb.
Das ist jetzt, gerade in Corona-Zeiten, wohl einer der Momente, wo wir besonders schwer bedauern, dass wir Jesus nicht so einfach leibhaftig begegnen können. Denn wie schön ist dieser Gedanke: Jesus spricht ein Machtwort und die Krankheit verschwindet.
Der zweite Grund, warum Simon die Anrede „Meister“ wählt, ist wohl Jesu Predigt, die Simon, mit ihm in einem Boot sitzend, gehört hat. Gottes Wort, das Jesus weitersagt und Simon tief berührt.
„Doch auf dein Wort hin“, sagt deshalb Simon, will er einen neuen Versuch wagen und die Netze noch einmal auswerfen, und zwar nach menschlichem Ermessen zur Unzeit. „Doch.“ „Dennoch“ – so heißt es auch im Wochenpsalm. „Dennoch bleibe ich stets an dir.“ Gegen den Augenschein. Gegen die Erfahrung der Welt. Dennoch. „Auf dein Wort hin.“
Jetzt könnte man natürlich einwenden: dieser Simon hat Jesus halt direkt vor sich, kann ihn anfassen. Da fällt es leichter, Zutrauen zu haben und sich nochmal aufzuraffen.
Genau genommen allerdings: Simon Petrus hat auch nur Jesu Wort. Selbst wenn er bei der Heilung seiner Schwiegermutter beobachten konnte, wie wirkmächtig das ist. Aber was er hat, ist nur das Wort dessen, den er jetzt „Meister“ nennt. Eigentlich nicht anders, als wir.
Simon vertraut auf dieses Wort Jesu. Es könnte sich ja, so scheint er, noch etwas schwankend auf den Planken seines Boots, zu hoffen, als der tiefe Grund erweisen, auf den sein ganzes Sein aufzubauen sich lohnt.
Was Simon dann mit seinen Netzen und seinem Vertrauen aus der Tiefe ans Licht bringt, ist kaum zu fassen. Weder von den unter der Last der Fische fast berstenden Netzen, noch vom eilends herbeibeorderten zweiten Boot.
Diese Erfahrung, die er mit Jesus macht, haut Simon sprichwörtlich um. Er fällt vor Jesus auf die Knie. Das ist etwas, was ein gläubiger Jude nur vor Gott tut.
Simon erkennt also plötzlich genau, mit wem er es da zu tun hat, wen er sich zum Meister gewählt hat. Oder eigentlich: welcher Meister das ist, der ihn erwählt hat.
Mit den so wunderbar gefüllten Netzen kommt in Simon jedoch noch etwas Anderes hoch, was er lieber in den Tiefen verborgen hätte. Alles, was bisher falsch war an seinem Leben, alles, womit er sich von Gott getrennt hat in seinem Handeln.
Das jetzt so unverhüllt und ungeschönt im gleißenden Licht der mittäglichen galiläischen Sonne vor sich zu sehen, lässt ihn zutiefst über sich selbst erschrecken.
Vor diesem Meister kann man nichts unter den Teppich kehren. Muss man allerdings auch gar nicht. Es ist bei ihm gut aufgehoben. Die zerstörerische Wirkung des falschen Lebens ist aufgehoben. Er nimmt es weg, auf sich, auf seine Kappe.
All das kann nun nicht mehr am Fundament unserer Seele nagen. Denn es ist in der Tiefe, da wo sie gründet, beseitigt.
„Fürchte dich nicht“, sagt Jesus deshalb. Dafür gibt es nämlich überhaupt keinen Anlass. Im Gegenteil. Denn jetzt bist du bereit.
Und er nimmt Simon mit auf einen neuen gemeinsamen Weg. Der beginnt damit, dass Simon sein Beuteschema ändert: „Von nun an wirst du Menschen fangen.“
Wer es gewagt hat, zu vertrauen und mit Jesus tiefer zu gehen, wer dort in der Tiefe den festen Grund gefunden hat, auf dem er mit seiner Seele und seinem ganzen Sein sicher ankern kann, der ist bereit dazu, der kann eigentlich gar nicht anders, als auch den Menschen, denen er begegnet, davon zu erzählen und so die Netze auszuwerfen.
Ich meine, es ist Zeit, zu einer solchen Fangfahrt aufzubrechen. Vielleicht nicht unbedingt in der großen Öffentlichkeit eines Marktplatzes. Das ist sicher nicht jedermanns Sache. Aber stattdessen immer wieder mal im vertraulichen Gespräch in kleinerer Runde.
So könnte die Fangfahrt beginnen. Auch und gerade, wenn Corona im Moment alle anderen Themen zu überlagern scheint. Auch wenn wir uns dabei der Gefahr aussetzen, einmal etwas merkwürdige Blicke zu ernten. Auch und gerade, wenn die Zahl der Kirchenaustritte, über die in den Medien in den vergangenen Tagen wieder berichtet wurde, es eher wie eine Unzeit dafür erscheinen lässt.
Jetzt gerade. Dennoch. Auf sein Wort hin.
Auf die Fangquote kommt es gar nicht so sehr an. Sondern auf die Befreiung, die jeder einzelne erfährt, der ins Netz geht.
Gehen wir Menschen fischen. Vielleicht sogar an einem sommerlichen Strand.

Bleiben Sie/bleibt alle von Gott behütet.

Herzliche Grüße,

Ihr/Euer

Martin Bach

PS: Seit dem 10. Mai laden wir in der Friedenskirche wieder ganz herzlich zu unseren regelmäßigen Gottesdiensten ein. Im Rahmen des geltenden Hygieneschutzkonzepts bitten wir alle, die teilnehmen möchten, sich bis jeweils zwei Tage vorher beim Pfarramt unter Tel.: 06332/75125 oder per E-Mail anzumelden.

 

Prot. Pfarramt Zweibrücken-Ixheim
Pfarrer Martin Bach
Kirchbergstraße 31
66482 Zweibrücken
Tel.: 06332/75125

E-Mail: pfarramt.zw.ixheim(at)evkirchepfalz.de