Gedanken zur Zeitumstellung

Liebe Damen und Herren,

ich möchte Sie heute – ein kleiner Service – an die bevorstehende Zeitumstellung erinnern. Im Lauf der Nacht wird die Sommerzeit Einzug halten. Nicht dass wir am Ende vergessen, an der Uhr zu drehen und dann in der falschen Zeit leben.

Andererseits, liebe Schwestern und Brüder,

vermute ich, dass wohl die allermeisten ohnehin daran denken werden. Denn was wir gerade kollektiv durchleben, ist ja auch eine gehörige Zeitumstellung – allerdings in einem ganz anderen Sinn. Wir mussten uns innerhalb von wenigen Tagen umstellen auf ganz andere Zeiten.

Aus einem bedeutsamen und sehr guten Grund, nämlich um Leben so gut es geht zu schützen, sind wir bereit, zu Stubenhockern zu werden, unser Leben in den vertrauten vier Wänden oder im heimischen Garten zu gestalten. Auch wenn es weh tut, Freunde und Familie eine Zeit lang nicht sehen zu können, auch wenn die Kinder quengeln, weil ihnen zu Hause die Decke auf den Kopf fällt, auch wenn der geplante Urlaub vielleicht nicht an den Strand führen wird, sondern ins Wasser fällt, sind das sicher noch Einschränkungen, die wir tragen und ertragen können.

Aber es gibt natürlich auch weit ernstere Sorgen in diesen Corona-Zeiten: Werden meine Lieben gesund bleiben? Wird der Betrieb die Umsatzeinbußen überstehen? Wird das Kurzarbeitergeld reichen, um die Familie zu ernähren? …

Das Virus hat sozusagen „an der Uhr gedreht“. Sie gehen jetzt anders, die Uhren, und in dieser neuen „Zeitzone“ erleben wir, wie sich gewohnte Sicherheiten rasch verändern, bisher für selbstverständlich Gehaltenes plötzlich beinah selbstverständlich nicht mehr gilt.

In dieser Zeit, wo vieles offen ist und offenbleiben muss, bringt der Predigttext dieser Woche aus dem Hebräerbrief (ich füge ihn im Anhang wieder als .pdf bei) das Lebensgefühl so mancher Menschen in Europa und der ganzen Erde auf den Punkt: „Wir haben hier keine bleibende Stadt…“

Aber auch der zweite Teil des Satzes aus dem Hebräerbrief scheint gerade sehr aktuell: „… sondern die zukünftige suchen wir.“

Wohl die meisten Menschen denken im Moment darüber nach, wie die zukünftige Welt, wie ihre Welt nach Corona aussehen wird. Wissenschaftler aller Disziplinen durchgrübeln gründlich verschiedenste Szenarien, suchen nach den wahrscheinlichsten darunter.

Niemand weiß exakt zu sagen, wie es kommen wird. Aber ich meine, manches lässt auch hoffen für die Zeit nach Corona. Einen solchen Gemeinsinn und eine so breite Solidarität, wie sie im Augenblick in unserer Gesellschaft zu spüren ist, habe ich in meiner bisherigen Lebenszeit noch nicht beobachtet.

Und die Krise wirft auch die ein oder andere – wie ich finde – richtige Frage auf.

Zum Beispiel die, ob eine konsequente Globalisierung des Wirtschaftens das Ei des Kolumbus ist, wenn sie dazu führt, dass es für Güter wie Schutzmasken und andere persönliche Schutzausrüstung, die Menschen in den ärztlichen und pflegenden Berufen unabdingbar brauchen, keinen Hersteller mehr in Deutschland gibt. Und das ist nur ein Beispiel, das sich auf zahlreiche andere elementare Güter übertragen lässt.

Oder die Frage, ob eine sinnvolle Digitalisierung dazu beitragen kann, dem Klimawandel (den wir ja durch Corona nicht aus dem Blick verlieren sollten) entgegen zu wirken, weil durch konsequentes Nutzen von Telefon- oder Videokonferenzen so manche Dienstreise unnötig und dadurch das Verkehrsaufkommen reduziert wird.

Oder, ob es wirklich sinnvoll ist, das Ziel „höher, schneller, weiter“ aus dem Sport auf alle Bereiche unseres Lebens zu übertragen.

Auch ich weiß nicht, wie es kommen wird, ich weiß nicht, wie die Welt nach Corona aussehen wird. Aber ich bin gewiss, es wird eine Welt nach Corona geben. Und das Versprechen Gottes gibt mir Hoffnung, das Versprechen, dass wir bei ihm nicht vergessen sind, sondern dass er uns eine Zukunft aufrichtet. Und das Versprechen, dass die Gesunden, die Kranken, die „Risikogruppen“ und auch die Verstorbenen in seiner Hand geborgen sind.

Ich freue mich darüber, wieder mit Ihnen und Euch allen im Gebet verbunden zu sein, wenn morgen um 10.30 Uhr unsere Vater Unser – Glocke läutet. Einen ökumenischen Gebetsvorschlag dazu habe ich den Wochentexten beigefügt.

Das Gebet kann vielleicht auch eine gute Anregung sein für die anderen Zeiten, zu denen unsere Glocken zum Gebet einladen. Sie läuten von Montag bis Freitag täglich um 19.30 Uhr und an den Samstagen zu den ökumenischen Online-Andachten um 18 Uhr.

Bleiben Sie alle gesund.

Bleiben Sie alle von Gott behütet und gesegnet.

Herzliche Grüße,

Ihr

Martin Bach