20211117_B&B

Diana Lipps: Predigt zum ökumenischen Buß- und Bettagsgottesdienst der ökumenischen Friedensdekade zu Mt 5, 9

„Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ (Mt 5 9)

Friedensstifter ist ein Wort, das in den letzten Jahren in der deutschen Sprache nur noch selten vorkommt, habe ich gelernt. Das Internet weiß alles und gibt auch über solche Statistiken Auskunft. 
Friedensstifter – ein seltenes Wort, ganz im Unterschied zum Unruhestifter. Der wird häufig genannt. Und damit ist nicht der kleine Lausebengel gemeint, der im Schulunterricht immer für Unruhe sorgt, weil er einfach nicht stillsitzen kann und schon gar nicht konzentriert zuhören und mitarbeiten. 
Nein, mit dem Wort Unruhestifter sind eher Erwachsene im Blick. Menschen, die die öffent-liche Ordnung in Frage stellen, geltendes Recht verletzten bis hin zu Krawallen und gewalttä-tigen Aktionen.
Wer es mit solchen Menschen zu tun bekommt, der hat es schwer. In ihrem Umfeld entsteht nicht nur Unruhe im wörtlichen Sinne, sondern viele Menschen fühlen sich unsicher und ver-ängstigt. Und wenn es zu Gewalt kommt, dann sind da auf der anderen Seite auch Men-schen, die einen Verlust erleiden oder sogar verletzt werden.
Dazwischen gehen ist dann nicht immer angeraten, ja es kann sogar gefährlich werden. Nicht von ungefähr werden Polizeibeamte besonders geschult, um Konflikte mit ihrem Ein-greifen nicht anzuheizen, sondern zu deeskalieren ohne sich und andere zu gefährden.
Friedensstifter sind die Polizistinnen und Polizisten deshalb aber nicht, so würde auch keiner ihren Einsatz nennen, auch wenn er erfolgreich verläuft und sich am Ende die Parteien ohne Gewaltexzesse trennen.
Wir nennen sie nicht Friedenstifter, weil wir wissen: die, die da mühsam durch die Ord-nungskräfte dabei ausgebremst wurden, sich gegenseitig handfest an den Kragen zu gehen und mit Fäusten, statt mit Worten ihre Positionen zu verteidigen, die sind sich immer noch spinnefeind, haben sich kein bisschen angenähert und die Argumente der anderen Seite we-der angehört noch verstehen wollen.
Dazwischen gehen stiftet noch keinen Frieden. Frieden, jedenfalls im umfänglichen, christli-chen Sinne, ist nicht die Abwesenheit von Krieg. Das ist wäre ein sehr enges Verständnis von Frieden.
Vielleicht scheitern viele Friedensmissionen von Ländervertretern gerade an einem zu engen Verständnis von Frieden – und daran, dass sie ihre eigene Verstrickung in Konflikte rund um den Erdball nicht sehen wollen. 
Vielleicht daran, dass es zwar vordergründig um die Befriedung einer Region geht, aber doch eigentlich um die Sicherung eigener Interessen - sei es, dass man sich weiterhin den Zugang zu wichtigen Rohstoffen sichern will, Absatzmärkte erhalten möchte, Flüchtlingsbe-wegungen beenden oder politische Gegner über dritte im Schach halten möchte.
In der Bibel lernen wir, dass Frieden umfassender ist. Zum Frieden gehört mehr als ein ge-waltfreies Miteinander.
Dazu gehört auch der Respekt und die Achtung vor anderen Menschen und vor Gottes Schöp-fung, in und von der wir leben.
Dazu gehört es, nach Gerechtigkeit zu streben, andere Menschen nicht auszunutzen, weil sie vielleicht weniger gebildet sind oder weil sie weit weg in anderen Kontinenten leben, die unter den Folgen unserer Klimasünden noch vor uns leiden müssen.
Dazu gehört auch, denen, die nach uns kommen, eine Erde zu hinterlassen, die wir nicht mutwillig zu einem unwirtlichen Ort gemacht haben.
Zum Friedenstiften muss ich nicht Chefunterhändlerin eines mächtigen, wirtschaftlich star-ken Landes sein. Zum Friedenstiften muss ich auch nicht der Oberbefehlshaber über eine waffenstarrende Armee sein. Zum wirklichen Friedenstiften sind wir alle angehalten, wenn wir als Gottes Kinder leben wollen. Schon in unserem gewohnten Umfeld und im alltäglichen Miteinander.
Aber auch hier reicht nicht der enge Friedensbegriff, dass Friede ist wo kein Streit herrscht. Friedenstiften im Alltag reicht von der Rücksichtnahme auf Schwächere hier in meiner Nachbarschaft und in fernen Ländern. Hier durch meinen Einsatz für Arbeitslöhne, die zum Leben reichen, für eine gerechtere Verteilung von Bildungschancen in unserem Land. Und in fernen Ländern durch mein Nachdenken beim Kaufen und Verbrauchen: Wo kommt etwas her, wer muss wie dafür arbeiten, welche Schäden richtet die Herstellung und der Gebrauch von etwas an, brauche ich dies und das wirklich?
Mit einem solchen, umfassenden Verständnis von Frieden, das immer auch die eigene Ver-strickung in Konflikte wahrnimmt, könnte auch das Friedenstiften zwischen Staaten und Re-gionen tiefer gehen und nachhaltiger sein.
Frieden stiften ist nicht einfach. Frieden kommt nicht von allein, er verlangt von den Beteilig-ten Mut. Den Mut, Grenzen zu überwinden, Beziehungen aufzubauen. Und es verlangt die Bereitschaft, als Stärkerer Rücksicht auf Schwache zu nehmen, im Anderen nicht den Feind, sondern ein Mitgeschöpf zu sehen und zu achten.
Und bei allen Bemühungen, bleibt Friede ein Geschenk, das glücklich macht, ein Vorge-schmack auf das, was kommt.
Amen.

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