Liebe Schwestern und Brüder,
sie kam ein wenig knapp, die Entscheidung, aber dennoch haben sich bestimmt viele sehr gefreut, als das Bundeskabinett am vergangenen Mittwoch beschlossen hat, die Reisewarnung für die meisten europäischen Staaten ab dem 15. Juni aufzuheben. Denn die Aussicht auf einen Sommer so ganz ohne erholsame Tage an einem sonnigen Strand oder vor einem spektakulären Bergpanorama schien doch so manchem recht trübe zu sein. Durchaus verständlich.
Und die Erleichterung, die die große Zahl der im Tourismus arbeitenden Menschen angesichts dieses Kabinettsbeschlusses empfindet, kann man sicher besonders gut verstehen. So hat zum Beispiel Österreichs Tourismusministerin (Elisabeth Köstinger) spontan bekundet, wie sehr sich ihre Landsleute auf die deutschen Sommergäste freuen.
Ob es allerdings für all diejenigen, die nicht in der Reisewirtschaft beschäftigt sind, zu den am schwersten zu tragenden Härten dieser Zeit gehört hätte, den Urlaub zuhause zu verbringen, dazu gibt es offenbar, wie zu hören ist, unterschiedliche Ansichten. Ebenso wie zu der Frage, ob eine Reise unter Hygieneschutzbedingungen entspannt verlaufen und die gewünschte Erholung bieten kann. Doch vielleicht wird gerade durch das Überwinden solch außergewöhnlicher Hürden der Sommerurlaub für den ein oder anderen auch zum persönlichen Fanal dafür, dem Virus zu trotzen.
Nun also wird es, wie gesagt, ein wenig knapp. Die Reisevorbereitungen müssen jetzt zügig begonnen werden, denn es muss manches geklärt sein vor der Abfahrt. Zum Beispiel, ob man in das Land, das man sich zum Reiseziel erkoren hat, auch tatsächlich einreisen darf. Man muss die Reisehinweise des Auswärtigen Amts studieren, ein Hotel aussuchen und buchen. Da drängt die Zeit ein bisschen.
Etwas mehr Zeit nahmen sich die Israeliten, bevor sie vom Sinai aufbrachen. Gott hatte ihnen aber auch manches mit auf den Weg zu geben. Er lässt durch Mose minutiöse, bis in kleinste Details reichende Anweisungen verkünden, insbesondere darüber, wie das Heiligtum für die Reise auszustatten und das dort dienende Personal vorzubereiten ist.
Und mitten in seinen Reisehinweisen teilt er ihnen etwas mit, was Menschen bis heute auf ihrem Weg durchs Leben begleitet. Nämlich die vertrauten Worte des aaronitischen Segens (4. Mose 6, 22-27), des Predigttexts für den Sonntag Trinitatis.
Dieser Segen steht am Schluss der allermeisten Gottesdienste, zumindest der evangelischen.
Dass der jüdische priesterliche Segen dort eine so herausgehobene Stellung hat, obwohl er im Neuen Testament gar nicht erwähnt wird, also von Christus selbst wohl nicht zu hören war, und auch in der Synagoge im Lauf der Zeit immer seltener gesprochen wurde, dafür gibt es einen Grund, der mit einem Namen verknüpft ist. Martin Luther hat die besonderen Worte wiederentdeckt und im Jahr 1532 ein Büchlein geschrieben, in dem er sie als Schlusssegen der Messe ans Herz legt.
Das ist aber nicht der einzige und auch nicht der wichtigste Grund dafür, dass diese Segensworte aus der hebräischen Bibel bis heute ihre ungebrochene Bedeutung behalten haben. Das hat vielmehr damit zu tun, was sie bedeuten. Sie sagen, auch meiner Ansicht nach, mehr aus, als der ein oder andere, deutlich wortreichere zeitgenössische Segensspruch.
Schauen wir da mal etwas genauer hin.
Mose wird in diesem Abschnitt von Gott damit beauftragt, die Segensworte an Aaron und dessen Söhne weiterzugeben, die als Priester ausersehen waren. Sie sollten mit diesem Satz die Israeliten segnen.
Wer daraus ableiten wollte, nur Geistliche könnten oder auch: dürften segnen, der irrt. Es gibt schon im Ersten Testament bekannte Beispiele dafür, dass Menschen, die kein geistliches Amt haben, andere Menschen segnen. Als exklusives Vorrecht für Angehörige einer bestimmten Gruppe war das Segnen nie gedacht.
Um rauszukriegen, was es nun mit dem Segnen auf sich hat, hilft ein Blick ins Lateinische. Dort gibt es nämlich zwei Wörter dafür.
Das eine kommt von „signum“, also „Zeichen“ und wurde zum Vorbild für unseren deutschen Begriff. Der Gedanke dabei ist, dass jemand „bezeichnet“ wird, zum Beispiel mit einer besonderen Geste, und so Gottes Nähe und Begleitung spürbar erfährt. Das klappt aber nicht ganz automatisch. Es kommt dabei auch gar nicht darauf an, ob es das richtige Zeichen ist, korrekt ausgeführt. Sonst wären wir auf dem Boden der Zauberei. Und mit Magie hat unser Glaube nichts zu tun.
Sondern es kommt darauf an, dass derjenige, der den Segen empfängt, darauf vertraut, dass Gott ihn mit seiner Liebe berührt, dass Gott den Segen wirksam werden lässt.
Eine Garantie dafür, dass Gott das Gewünschte dann auch umgehend und in der erwarteten Weise umsetzt, gibt es – auch wenn das vielleicht mancher bedauern mag – trotzdem nicht. Dann wären wir nämlich wieder – siehe oben – bei der Magie.
Aber die Erfahrungen, die wir mit Gott in unserem Leben machen können, zeigen: es lohnt sich, auf Gottes Verheißungen zu vertrauen. Er erfüllt sie auf seine Weise.
Das zweite lateinische Wort für „segnen“ zeigt noch etwas deutlicher, worum es dabei geht. Es heißt „benedicere“, von „bene“, also „gut“ und „dicere“, übersetzt: „sagen“. Segnen bedeutet also. ein gutes Wort sagen. Es ist ein Zuspruch, der uns widerfährt und der nicht an Bedingungen geknüpft ist.
In unserem Alltagsleben ist es ja eher so, dass einer Zuspruch für etwas erfährt. Für eine besondere Leistung, im Sport etwa, in der Kunst vielleicht oder weil er etwas besonders Kluges, Erfolgreiches getan hat.
Beim Segen ist das anders. Segen können wir empfangen, ohne herausragende Großtaten vollbracht zu haben.
Und wie gut es tut, ein gutes Wort zugesagt zu bekommen, weiß jeder, der das schon einmal erlebt hat, als er sich alleingelassen fühlte oder in tiefer Trauer, in Sorge um die Gesundheit des Körpers oder der Seele. Ein gutes Wort kann da sein wie ein Sonnenstrahl, der zeigt, dass das Düstere nicht alles ist und eben nicht das letzte Wort behält.
Ein solches gutes Wort also soll Aaron den Israeliten und dürfen wir einander sagen.
Mit dem ersten Teil von Aarons Segen wird der, der ihn empfängt, unter Gottes Kraft gestellt. Ganz individuell und durchaus auch ganz leiblich. Für das, was zum Leben notwendig ist, für die Aufgaben, die im Alltag zu bewältigen sind und für das, was dabei bedrohlich sein kann. Dafür will der Segen den, der ihn empfängt unter Gottes Rettungsschirm (ein Begriff, der zurzeit zurecht sehr positiv besetzt ist) stellen: „Der Herr segne dich und behüte dich;“
Der zweite Teil des Segens spricht von Gottes Gesicht: „der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;“. Das bedeutet, etwas freier übersetzt, „Gott schaue dich freundlich an“. Darin steckt etwas ganz Großartiges: Gott übersieht mich nicht. Er will nicht über uns hinwegsehen, seinen Blick nicht über unsere Köpfe hinweg in irgendeine Ferne richten, sondern auf uns. Freundlich auf uns.
Wer freundlich angeschaut wird, dem bringt das meist selbst ein Lächeln ins Gesicht. Und vielleicht ist es einer der wenigen wirklichen Nachteile an dem Mundschutz, den wir jetzt tragen, um andere zu schützen, dass man damit nicht so leicht sehen kann, wie einen das Gegenüber freundlich anschaut.
Bemerkenswert an diesem Teil des Segenswortes finde ich außerdem den Hinweis auf Gottes Gesicht. Denn an manchen Stellen der Bibel wird ausdrücklich betont, dass Menschen sich davor hüten sollten, Gott direkt ins Gesicht schauen zu wollen.
Bemerkenswert also, aber eigentlich nicht überraschend. Denn Gott hat uns sein menschliches Gesicht bereits ganz unmaskiert gezeigt. Im Gesicht Christi. In seinem Gesicht wurde Gottes Liebe sichtbar, seine Gnade, von der Aarons Segen spricht.
Der letzte Teil dieses Segens geht dann über den Einzelnen hinaus: „der Herr hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.“
Frieden ist nur gemeinsam zu haben. Wie bitter wir ihn nötig haben, sehen wir an allen Ecken und Enden der Welt. Und wie leicht er zerbrechen kann.
Dort, wo Menschen andere Menschen wegen ihrer Hautfarbe missachten, um nur ein aktuelles Beispiel zu nennen, ist der soziale Friede in höchstem Maß bedroht.
Weil der Frieden dort und an unzähligen anderen Orten und auf vielerlei Weisen in Gefahr ist, ist es so wichtig, dass der Segen Aarons so weit über uns als Einzelne hinausgeht und uns damit dazu anleitet, auch über die eigene Nasenspitze hinaus zu schauen.
Wir erkennen dadurch, wie groß Gottes Segen ist und wie weit er reicht. Und das Beste daran: wir dürfen ihn weitergeben.
Noch eine Schlussbemerkung: von jeher wurde und wird der Segen auch in speziellen Situationen gesprochen, zum Beispiel vor einer Abreise der Reisesegen – der möge alle begleiten die jetzt gerade einen Urlaub planen.
Bleiben Sie/bleibt alle von Gott behütet.
Herzliche Grüße,
Ihr/Euer
Martin Bach
PS: Seit dem 10. Mai laden wir in der Friedenskirche wieder ganz herzlich zu unseren regelmäßigen Gottesdiensten ein. Im Rahmen des geltenden Hygieneschutzkonzepts bitten wir alle, die teilnehmen möchten, sich bis jeweils zwei Tage vorher beim Pfarramt unter Tel.: 06332/75125 oder per E-Mail anzumelden.
Prot. Pfarramt Zweibrücken-Ixheim
Pfarrer Martin Bach
Kirchbergstraße 31
66482 Zweibrücken
Tel.: 06332/75125
E-Mail: pfarramt.zw.ixheim(at)evkirchepfalz.de