Der Herr ist auferstanden - zu Ostern

 

Liebe Schwestern und Brüder,

das Bundesverfassungsgericht hat am Karfreitag das derzeit geltende Gottesdienstverbot bestätigt. (Genauer gesagt hatte die 2. Kammer des Ersten Senats über einen Antrag zu entscheiden, der darauf abzielte, die Verordnung der hessischen Landesregierung zur Bekämpfung des Corona-Virus, die unter anderem ein Verbot von Zusammenkünften in Kirchen enthält, vorläufig außer Vollzug zu setzen. Das Gericht lehnte diesen Antrag ab.) Die Kammer wertete das Gottesdienstverbot zwar als schwerwiegenden Eingriff in die Glaubensfreiheit; es müsse regelmäßig überprüft werden, ob die Maßnahme jeweils noch angemessen sei. Allerdings habe der Schutz vor Gefahren für Leib und Leben Vorrang.
Irgendwie passt diese Entscheidung, denke ich,  zu dem, worum es an Ostern geht, recht gut. Vorrang für den Schutz des Lebens am Fest des Lebens.
Sicher, vieles ist anders an diesem Ostern 2020. Wir können am frühen Morgen nicht wie sonst um das Osterfeuer zusammenkommen, das Anzünden unserer neuen Osterkerze nicht gemeinsam erleben. Unser Osterfrühstück muss ausfallen. So wie in vielen Familien die gewohnten österlich-fröhlichen Feste.
Das alles ist sehr schade. Aber in den Maßnahmen, die das öffentliche Leben insgesamt stark einschränken, liegt auch etwas, was Hoffnung machen kann – nämlich die Prioritäten, die in den letzten Wochen gesetzt wurden. Priorität, so zeigt das gesellschaftliche und politische Handeln in der Corona-Krise, haben nicht die wirtschaftlichen Interessen, auch nicht Shopping oder Sportveranstaltungen, sondern der Schutz des Lebens.
So bleiben zwar auch die Kirchen leer zu Ostern. Es bleibt aber dennoch unsere zuversichtliche Gewissheit: der Herr ist auferstanden; er ist wahrhaftig auferstanden. Und das bedeutet: Ostern findet statt!
Die Ostergeschichten der Bibel, die Christi Auferstehung bezeugen, nehmen uns mit hinein in dieses Geschehen, auf dem unsere Hoffnung gründet. Wobei man sagen muss: zunächst mal ist es ein Geschehen hinter verschlossener Tür – in einer mit einem Stein verschlossenen Höhle. Und der erste Hinweis auf das, was sich dort zugetragen hat, besteht darin, dass der Raum, das Grab leer war.
Nach dem Bericht des Markusevangeliums waren es drei Frauen aus dem engsten Umkreis Jesu, die sich auf den Weg gemacht hatten, um seinen Leichnam zu salben und als erste erfuhren, dass Christus auferstanden ist, dass mit ihm das Leben siegt, nicht der Tod.
Im Johannesevangelium wird berichtet, dass die Jünger nach Jesu Tod social distancing betrieben haben. Verängstigt und voll Trauer zog sich die kleine Gruppe hinter verschlossene Türen zurück. Und da ist Christus plötzlich in ihrer Mitte. Die Auferstehung kommt zu den Menschen.
So, liebe Schwestern und Brüder, hat es der Apostel Paulus in dem Abschnitt seines ersten Briefs an die Gemeinde in Korinth formuliert, der in diesem Jahr der Predigttext für den Ostersonntag ist (1. Korinther 15, 12 – 28). Beim Lesen der Sätze dort fällt sofort auf, dass es Paulus nicht um eine Schilderung der Auferstehung geht. Vielmehr entfaltet er seine Argumente für den Glauben an die Auferstehung, strikt eins aufs andere aufbauend, beinahe, als würde er eine wissenschaftliche Abhandlung schreiben.
Es scheint, als hätten die Korinther ihre Schwierigkeiten gehabt mit der Auferstehung in dem Verständnis, wie Paulus sie predigte. Sein Schreiben ist der Versuch, sie von seiner Auffassung zu überzeugen.
Die Art und Weise, wie Paulus sich gegenüber den Korinthern für den Glauben stark macht, scheint in unsere heutige Zeit zu passen. Denn Auferstehung kann man nicht vermessen, nicht abwiegen, nicht chemisch nachweisen. Mit wissenschaftlichen Methoden, die im Vergleich zu den Zeiten des Paulus heute ungleich verfeinert sind, ist ihr nicht beizukommen.
Der Liebe übrigens auch nicht. Wenn jemand zu mir sagt: „Ich liebe dich“, dann gibt es dafür auch keine Mess- oder Nachweismethode. Aber wenn ich dem Satz glaube, kann ich ganz real erfahren, wie das mein Leben verändert, wie sich mir eine neue Perspektive eröffnet.
Wie mit einem Menschen, so Paulus (und er meint hier Adam), der Tod kam, so kommt auch mit einem Menschen die Auferstehung, nämlich mit Christus. Er ist der „Erstling“, das heißt: es gibt andere, die folgen werden, alle werden in Christus auferstehen.
Mit der Auferstehung Christi kommt eine neue Realität in die Welt. Nicht Leid und Trauer haben das letzte Wort, sondern Freude, nicht der Tod, sondern das Leben.
Noch leben wir – leider - in einer Zeit, in der der Tod eine sehr konkrete Realität hat. Das wird uns gerade jetzt auf schreckliche Weise bewusst, wo uns der Tod so vieler Menschen auf der ganzen Welt jeden Tag neu erschüttert und uns der Schmerz ihrer Angehörigen tief berührt.
Auch Paulus leugnet nicht, dass wir uns in einer zwiespältigen Zeit befinden, mit zwei entgegen gesetzten Perspektiven, Tod und Leben. Aber mit Christus und seiner Auferstehung, so schreibt er, beginnt das Reich Christi sich zu entfalten, Schritt für Schritt, und wir dürfen die Zuversicht haben, dass schließlich der Tod besiegt ist und alle auferstehen.
In seinem Brief an die Gemeinde in Korinth beschreibt Paulus an anderer Stelle, welche Folgen das für das Zusammenleben der Menschen hat, die auf die Auferstehung ihre Hoffnung setzen. Dazu gehört zum Beispiel, auf die Bedürfnisse der anderen zu achten und Rücksicht zu nehmen auf die Schwachen und besonders Verletzlichen. Unzählige Menschen, in den Familien, im Gesundheitswesen, in den Pflegediensten und Einrichtungen, aber auch in den Supermärkten, ehrenamtlich tätige Menschen, die zum Beispiel für andere einkaufen oder die Schutzausrüstung herstellen – es gibt noch viele weitere Beispiele - leben zur Zeit gerade täglich vor, was das ganz praktisch bedeutet. Sie alle setzen ermutigende, großartige Zeichen des Lebens, die die österliche Hoffnung wachsen lassen.
Ich wünsche Ihnen und Euch allen ein gesegnetes Osterfest, an dem die Liebeserklärung Gottes, die er mit der Auferstehung Christi gemacht hat, uns stärkt und freue mich darüber, mit Ihnen und Euch verbunden zu sein, wenn unsere Glocken zum Ostergeläut zu hören sind.
Bleiben Sie alle von Gott gesegnet und behütet.

Herzliche Grüße,

Ihr

Martin Bach